Draußen regnet es. Ich sitze am Fenster und schaue den Tropfen zu, wie sie an der Scheibe herunterlaufen. Es ist ein gemütlicher Abend, aber ich fühle mich unruhig. In meinem Kopf ist es ganz still. Ich habe einen leeren Block vor mir, aber die Seiten bleiben weiß. Ich will etwas malen oder schreiben, aber ich kann einfach nicht. Keine Idee, keine Farbe, kein Wort.

Manchmal denke ich, ich muss kreativ sein. Es ist ein Druck, den ich mir selbst mache. Aber heute funktioniert es nicht. Ich sollte vielleicht einfach einen Film schauen, aber ich mag dieses Gefühl der Leere nicht. Also beschließe ich, etwas anderes zu tun. Ich kann ja ein bisschen aufräumen. Vielleicht hilft das, den Kopf freizubekommen.

Im Regal steht eine alte Holzkiste. Ich habe sie schon ewig nicht mehr geöffnet. Was ist da eigentlich drin? Ich nehme sie herunter und mache sie auf. Ein Duft von altem Papier und Erinnerungen steigt mir entgegen. Die Kiste ist voller alter Fotos, Briefe und Postkarten. Ich lächle. Ich darf jetzt eine kleine Reise in die Vergangenheit machen.

Ich nehme ein Foto in die Hand. Es zeigt einen Sommertag am Meer. Ich bin darauf ein kleines Kind und lache in die Kamera. Ich kann mich genau an diesen Tag erinnern. Das Wasser war so kalt, aber ich wollte trotzdem immer wieder hinein. Meine Eltern mussten mich am Abend fast aus dem Meer ziehen. Ich spüre fast wieder den Sand unter meinen Füßen und die salzige Luft.

Auf einer anderen Postkarte sehe ich die Berge. Mein Opa hat sie mir geschickt. Er schrieb: „Du sollst immer neugierig bleiben und die Welt entdecken.“ Das hat er immer gesagt. Er konnte stundenlang von seinen Reisen erzählen. Ich wollte immer so sein wie er.

Plötzlich spüre ich etwas. Eine Wärme. Eine Farbe. Das Blau des Meeres, das Grün der Berge, das goldene Licht der Sonne auf dem alten Foto. Diese Bilder in meinen Händen sind mehr als nur Papier. Sie sind kleine Geschichten. Und diese Geschichten wollen erzählt werden.

Ich stehe auf und hole meine Wasserfarben. Meine Hände zittern ein bisschen, aber es ist eine gute Aufregung. Ich nehme einen Pinsel und tauche ihn in die blaue Farbe. Ich muss nicht mehr nachdenken. Ich darf einfach malen, was ich fühle. Das Bild vom Meer entsteht wie von selbst auf dem Papier. Das Lachen, die Wellen, das Licht.

Als ich fertig bin, lehne ich mich zurück. Der Regen draußen klopft immer noch an die Scheibe, aber in mir ist es nicht mehr still. Es ist voller Farben. Ich musste nicht krampfhaft nach einer Idee suchen. Ich musste nur eine alte Kiste öffnen und mich erinnern.

Vielleicht sollte man das öfter tun. Manchmal ist die größte Inspiration nicht in der Zukunft versteckt, sondern wartet geduldig in unserer eigenen Vergangenheit. Man kann sie nicht erzwingen, aber man kann die Tür für sie offen halten.